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1. Juli 2020Wer besonders ansprechende Bilder malen möchte oder das perfekte Foto schießen will, der muss sich mit Proportionen und ihrer Wirkung beschäftigen. Als besonders ästhetisch gilt die Teilung im Verhältnis des Goldenen Schnittes. Warum das so ist, wie diese Teilung berechnet wird und wie man den Goldenen Schnitt am besten anwendet, haben wir nachfolgend zusammengefasst.
Was ist der Goldene Schnitt?
Unter Goldener Schnitt ist ein mathematisches Teilungsverhältnis einer Strecke zu verstehen. Es gilt als besonders harmonisch und daher für das menschliche Auge ansprechend. Bekannt ist es bereits seit der griechischen Antike, im 19. Jahrhundert wurde es schließlich zu einem ästhetischen Ideal.
Alle Proportionen, ob in Kunst, Architektur oder Natur, die dem Goldenen Schnitt entsprachen, galten als ästhetisch ansprechend. Er galt als ein gottgegebenes Naturgesetz, Adolf Zeising behauptete schließlich auch, dass der Mensch entsprechend diesem Verhältnis proportioniert sei. So wäre der Nabel ein Teilungspunkt des ganzen Körpers, während die Knie den unteren Teil im selben Verhältnis noch einmal teilen würden. Allerdings konnte das nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden, es dürfte sich also eher um Wunschdenken gehandelt haben.
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Der Goldene Schnitt steht im direkten Zusammenhang mit der Fibonacci-Folge. Diese Zahlenreihe beginnt mit 1, die darauffolgenden Zahlen ergeben sich aus der Summe der beiden Vorgänger. Je größer die Zahlen werden, desto genauer nähert sich das Verhältnis der beiden Vorgänger an die Goldene Zahl ɸ an. Wie ɸ berechnet wird und was diese Zahl mit dem Teilungsverhältnis zu tun hat, haben wir im nächsten Abschnitt erklärt.
Wie wird der Goldene Schnitt berechnet?
Bei einer Strecke, die entsprechend dem goldenen Schnitt geteilt werden soll, nimmt der längere Teil etwa 61,8% ein, der kürzere 38,2%. Zustande kommt dieses Verhältnis aus der besonderen Beziehung, die die beiden Teile einer Strecke zueinander haben. Es gilt, dass das Verhältnis der gesamten Strecke zum längeren Teil gleich dem Verhältnis vom längeren Teil zum kürzeren Teil ist. Bezeichnet man den langen Abschnitt mit x und den kurzen Abschnitt mit y, ergibt sich die Formel
(x+y)/x = x/y
Stellt man dieses Teilungsverhältnis als Zahl dar, so ist diese irrational. Das bedeutet, dass sich diese Zahl nicht durch den Bruch zweier ganzer Zahlen ausdrücken lässt. In der Mathematik und der Literatur wird für die Goldene Zahl gerne der Buchstabe ɸ verwendet. Es gilt, ohne näher auf die Herleitung der Formel einzugehen
ɸ = x/y = (1+√5)/2 = 1,6180339887
Daraus lassen sich nun die beiden Teilstrecken der Gesamtstrecke z berechnen. Für die längere Teilstrecke x gilt
x = z/ɸ =(ɸ −1)z = 0,618z
Die kürzere Teilstrecke y ist demnach
y = (1-0,618)z = 0,382z
Zur Berechnung im Alltag ist es nur notwendig, sich die beiden Anteile, also 0,618 und 0,382, zu merken und die Gesamtstrecke entsprechend damit zu multiplizieren. Der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass sich der Goldene Schnitt auch grafisch mittels Lineals und Zirkel bestimmen lässt. Das einfachste Verfahren dafür ist die sogenannte innere Teilung. Auf einer Strecke AB wird eine Senkrechte errichtet, deren Endpunkt C heißt und deren Länge die Hälfte der Strecke AB misst. Mit dem Zirkel wird nun der Radius CB auf der Verbindungsstrecke AC abgeschlagen, das ergibt den Teilungspunkt D. Auf der ursprünglichen Strecke AB wird nun der Radius AD abgeschlagen, die Strecke ist damit im Verhältnis des Goldenen Schnittes geteilt.
Goldener Schnitt in Fotografie und Grafikdesign
Der Goldene Schnitt kann ein Hilfsmittel zur Gestaltung der Bildkomposition sein. Ein Motiv in der Mitte des Bildes zu positionieren wirkt starr und sollte vermieden werden. Um eine Fotografie entsprechend aufzubereiten, wird das Bild in neun gleich große Rechtecke unterteilt, deren Seitenverhältnis dem des Goldenen Schnittes entspricht. Wichtige Bildelemente wie der Horizont, Personen oder andere Hauptmotive sollten sich nun weitgehend an diesen Linien orientieren. Durch die Dreiteilung sowohl in der Waagrechten als auch in der Senkrechten wird eine starre Symmetrie vermieden, wodurch zusätzliche Spannung in das Bild kommt.
Bei der genaueren Untersuchung von gängigen Papier- und Bildschirmformaten fällt auf, dass sich deren Seitenverhältnis immer im Bereich der Goldenen Zahl bewegt. Ein DIN A4 Blatt hat zum Beispiel ein Seitenverhältnis von 1,414, bei einem Breitbildfernseher ist es 1,7. Auch im Buchdruck finden sich Parallelen zum Goldenen Schnitt in Form von Fibonacci-Zahlen. Das Verhältnis zwischen Bund-, Kopf-, Außen- und Fußsteg beträgt im besten Fall 2:3:5:8.
Goldener Schnitt in der Kunst
Nicht nur in der Fotografie, auch in der Malerei lässt sich der Goldene Schnitt anwenden. Betrachtet man zwei Meisterwerke Leonardo da Vincis genauer, fällt die exakte Komposition der Bilder im Verhältnis des Goldenen Schnittes auf. In das letzte Abendmahl lassen sich neun Rechtecke im richtigen Seitenverhältnis einschreiben, die Figuren finden sich ziemlich genau in der mittleren Zeile. Auch die Mona Lisa hält sich an Kompositionsregeln. Dieses Bild ist auf der Basis von Goldenen Dreiecken aufgebaut. Diese gleichschenkeligen Dreiecke weisen Winkel in der Größe von 72°, 72° und 36° auf, geteilt im Verhältnis des Goldenen Schnittes. Neben da Vinci bediente sich auch Albrecht Dürer dieser ungeschriebenen Regel der harmonischen Proportion um 1500 in seinem Selbstbildnis im Pelzrock. Diese Kompositionshilfen waren aber nicht nur ein Trend der Zeit in der Renaissance, auch heute lassen sie sich für die Gestaltung von Porträts oder Landschaftsmalerei nutzen.
Goldener Schnitt in der Natur
Die Bedeutung des Goldenen Schnittes für die Ästhetik stammt vor allem aus seinem Vorkommen in natürlichen Anordnungen. So gibt es eine Reihe von Pflanzen, deren Blätter in Kreisform in vom Goldenen Schnitt geteilten Winkeln angeordnet sind. Beispiele dafür sind einige Kohlarten, die Sonnenblume oder Kiefernzapfen. Sinn dahinter könnte die möglichst optimale Ausnutzung der Sonneneinstrahlung sein, da durch das irrationale Teilungsverhältnis kein Batt direkt über dem anderen liegt. Bei einigen Pflanzen lassen sich auch Fibonacci-Spiralen erkennen. Sie werden von Blättern im Abstand unterschiedlicher Fibonacci-Zahlen gebildet, was deren Zusammenhang mit dem Goldenen Schnitt noch einmal verdeutlicht.
Eine weitere bekannte Form des Goldenen Schnittes ist die Goldene Spirale. Sie wird durch die Teilung eines Rechtecks im Verhältnis des Goldenen Schnittes gebildet. So entstehen immer kleinere, verschachtelte Quadrate. verbindet man die Eckpunkte dieser Quadrate mit einer gebogenen Linie, entsteht eine Spirale. Diese entspricht dem Gehäuse der in der Natur vorkommenden Nautilus-Muschel.